24.04.2011 21:41
Die Bayern stehen ohne Lederröckchen da!
Das Rückspiel der Bayern in der Championsleague gegen Inter Mailand glich einem Offenbarungseid: Obwohl das Weiterkommen der Bayern nach der Führung im Rückspiel im Grunde schon feststand, lähmte die Angst vor dem eigenen Versagen die Mannschaft. Millionen Zuschauer wurden Zeugen eines Selbstmords aus Angst vor dem Tod. In den Fußballstadien wird zukünftig von den gegnerischen Fans wohl nicht mehr „zieht den Bayern die Lederhosen aus“ gesungen werden, sondern wohl eher „zieht den Bayern die Lederröckchen aus!“ Zurecht!
Aber das sich die ehemalige „mia san mia“-Truppe beim Rückspiel gegen Inter als „mia ham koan Oarsch in d'r Hosn“-Truppe präsentiert hatte, war letztlich nur das traurige Ergebnis einer Ansammlung von Fehlleistungen in der Führungsetage von Bayern München:
Louis van Gaal – der Schrecken aller Alphatierchen
Der große Fußball-Philosph Oli „der Titan“ Kahn hat die Formel für erfolgreiche Fußballmannschaften wie folgt auf den Punkt gebracht: „Eier! Wir brauchen Eier!“ Betrachtet man die Personalentscheidungen von Louis van Gaal in den letzten zwei Jahren, dann könnte man fast den Eindruck erhalten, als habe er Oli Kahn widerlegen wollen, indem er alle Alphatierchen aus dem Bayern-Kader entfernte:
Mit Lucio wurde schon zu Beginn der Ära van Gaal das unumstrittene Leittier in der Abwehr weggeschickt. Wenn man sieht, welchen enormen Anteil Lucio am letztjährigen Gewinn der Champions League durch Inter hatte und wenn man gesehen hat, wie unersetzlich Lucio für Inter im Hinspiel gegen Schalke war, dann MUSS man dies als die wohl grasseste und folgenreichste personelle Fehlentscheidung Bayerns in den letzten Jahren bezeichnen.
Fast ebenso folgenschwer – aber noch um einiges durchgeknallter – war die Entscheidung, Mark van Bommel mitten in der Saison nach Mailand wechseln zu lassen. Man muss ich vor Augen halten: Van Bommel war der Spieler, der die Bayern nur wenige Monate zuvor als Kapitän ins Finale der Champions League geführt hatte. Van Bommel war kurz danach als zentraler Führungsspieler auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass die niederländische Nationalmannschaft das WM-Finale erreicht hatte. Wie wichtig er als Leitwolf für die Bayern war, sieht man vor allem an Schweinsteiger, der seit dem Weggang von van Bommel auf dem Spielfeld zum Teil völlig verunsichert wirkt und von vormals „Weltklasse“ auf Bundesliga-Mittelmaß senkrecht abgestürtzt ist.
Konsequenter Weise demontierte van Gaal dann in der Winterpause mit dem Torhüter Butt auch noch die letzte noch verbliebene Führungspersönlichkeit im Defensivverbund der Bayern. Übrig geblieben ist eine Ansammlung hochtalentierter Mitläufer, von denen jedoch keiner zum Alphatierchen taugt. Die schlimmste Enttäuschung stellt in dieser Hinsicht Schweinsteiger dar, der immer dann in sich zusammenfällt, wenn in einer schwierigen Phase - so wie im Rückspiel gegen Inter - jemand gebraucht wird, an dem sich die Mitspieler aufrichten können.
Dabei geht es wohlgemerkt nicht um „Hierarchien“ im klassischen Sinne, sondern um Typen wie Kahn, Effenberg, Lucio oder auch van Bommel, die den Druck in schwierige Phasen nicht nur nicht scheuen, sondern unter Druck erst so richtig aufzublühen scheinen. Von flachen Hierarchien und dem Verteilen von Verantwortung auf vielen Schultern zu reden ist zwar schön und gut, hilft aber in brenzligen Situationen wie im Rückspiel gegen Inter nicht weiter, wenn plötzlich die halbe Mannschaft vor lauter Angst vor dem Versagen mit weichen Knien über den Platz läuft.
Uli Hoeneß – der verbale Amokläufer an der Säbener Straße
Verfolgt man derzeit die Sportmedien, so bekommt man schnell den Eindruck, als seien die Probleme in der Person van Gaals nun buchstäblich ausgetrieben worden. Die Probleme sitzten jedoch sehr viel tiefer - bzw. sehr viel weiter oben in der Führungsetage. Jetzt völlig entsetzt und erschrocken mit dem Finger auf van Gaal zu zeigen, wie es Hoeneß & Co derzeit tun, ist scheinheilig und ungerecht. Denn in der Säbener Straße hätte man durchaus wissen können, was man sich mit van Gaal für einen Trainer ins Haus holt, wenn die Herrschaften auch nur einigermaßen ihre Hausaufgaben gemacht hätten. Haben sie aber nicht. Und dieses Versagen war durchaus kein Zufall, wie bereits die völlig irrwitzige Entscheidung, Jürgen Klinsmann als Bayern-Trainer zu verpflichten, gezeigt hatte.
Vielleicht sollte Ulis lautes Geschrei von der Tatsache ablenken, dass er bei der Trainersuche mit der Verpflichtung van Gaals bereits die zweite kapitale Fehlleistung innerhalb kurzer Zeit zu verantworten hatte. Mit seinem Geschimpfe am TV-Stammtisch hat er jedenfalls viel Reputation verspielt. Peinlicher Tiefpunkt aber war die öffentliche Abrechnung mit der „Ära van Gaal“, bei der Hoeneß völlig ohne Not das große Torwart-Talent Thomas Kraft beschädigte („mit der Entscheidung, Jörg Butt aus dem Tor zu nehmen ging die Scheiße los“)
Dass Hoeneß in der jüngeren Vergangeheit eine Reihe katastrophaler Trainer-Entscheidungen getroffen hat, scheint ihm wohl inzwischen auch klar geworden zu sein. Anders ist die Wahl von Jupp Heynckes als Trainer für die nächsten zwei Jahre kaum zu verstehen. Denn ganz offensichtlich wurde die Wahl von Heynckes (den man in München gut kennt - und der selbst München ebenfalls bestens kennt) aus Angst vor weiteren Fehlern getroffen. Die hoffnungsvollen deutschen Trainer-Talente trainieren in der nächsten Saison jedoch in Dortmund (Klopp), Leverkusen (Dutt), Mainz (Tuchel) und in Hoffenheim (Stanislawski). Schlecht für die Bayern - aber gute Aussichten für die Bundesliga. Diese Saison sorgten vor allem Klopp und Tuchel für Furore - man darf gespannt sein, wer sich nächste Saison anschickt, den Bayern die Lederröckchen auszuziehen...
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29. April 2011 von Stephan
Heute ist auf Sport1 zu lesen, dass Manchaster nun doch in den Poker um Neuer eingestigen ist. Demnach bietet Manchaster für neuer 24 Millionen Pfund (27 Millionen Euro). Damit ist genau das eingetreten, was ich in meinem letzten Kommentar prophezeit habe: Da der verbale Amoklauf von Hoeneß eine Zukunft von Kraft in München unmöglich machte, steht Bayern jetzt unter dem Druck, koste es was es wolle Manuel Neuer verpflichten zu müssen. Die Schalker hingegen dürfen sich in jedem Fall auf einen zu Beginn der Saison kaum für möglich gehaltenen Geldregen freuen, da neben den 50 Millionen, die sie diese Saison in der CL eingenommen haben, wohl noch deutlich über 25 Millionen für Manuel Neuer bekommen werden...

28. April 2011 von Stephan
@ Kampfzerg: Danke für die Blumen! ;)
Ehrlich gesagt habe ich das Lamentieren von Hoeneß mit Verweis auf die Neuer-Pläne auch nicht so richtig verstanden. Mit einem sehr starken Nachwuchstorwart zwischen den Pfosten wäre die Verhandlungsposition der Bayern wesentlich besser gewesen, als sie es jetzt ist. Indem Hoeneß den Nachwuchstorhüter Kraft mit seiner völlig inakzeptablen Aussage diskretitiert hatte, stehen die Bayern bei ihren Planungen für die neue Saison plötzlich unter dem Druck, unbedingt einen neuen ersten Torhüter verpflichten zu müssen. Das verbessert natürlich die Verahandlungsposition der Schalker enorm und dürfte den Preis für Manuel Neuer noch um die eine oder andere Million nach oben treiben. Also in der Tat ein Bärendienst, den Hoeneß da seinen Bayern erwiesen hat (auch wenn es natürlich stimmt, dass es nicht hilft, wenn man hinter eine nicht eingespielte Defensive auch noch einen jungen und unerfahrenen Torhüter stellt...).
@ Lurker: Du hast Recht, ganz so defensiv war die Entscheidung für Heynckes nicht, wie das bei mir rüberkam. Ehrlich gesagt hat mich Heynckes in Leverkusen auch positiv überrascht, wie er aus einer Mischung aus jungen, talentierten Spielern und älteren erfahrenen Spielern eine sehr erfolgreiche Mannschaft formen konnte. Dennoch ist dies aus meiner Sicht nicht mit der Leistung zu vergleichen, die Tuchel in Mainz und Dutt in Freiburg abgeliefert haben. Und: eine neue Ära begründet man mit der Verpflichtung von Heynckes sicherlich nicht. Daher war das aus meiner Sicht eine Entscheidung, in der vor allem die Angst vor weiteren Fehlern zum Ausdruck kam - und weniger der Ehrgeiz, den Aufbruch in eine neue Ära zu beginnen.

27. April 2011 von Kampfzwerg
Super Artikel! Schade, dass hier im Fußball-Blog nur selten was gepostet wird...
Was Hoeneß betrifft, bin ich ganz deiner Meinung. Wenn der in den Medien öfters mal seinen Mund halten würde, wäre das für die Bayern meiner Meinung nach sehr hilfreich. Auch verstehe ich seine Argumentation nicht, wonach van Gaal mit dem Torwartwechsel der Verpflichtung von Neuer einen Stein in den Weg gelegt habe. Dass ein so junger und unerfahrener Torwart nicht unbedingt hilfreich ist, wenn die Abwehr eh schon verunsichert ist, ist natürlich eine andere Sache.

26. April 2011 von lurker
"Zieht den Bayern die Lederröckchen aus" gefällt mir! ;)
Und in den meisten Punkten gebe ich dir auch Recht. Aber in Bezug auf Heynckes bin ich anderer Meinung: Klar ist er ein Trainer, bei dem die Bayern garantiert nicht Gefahr laufen, bösen Überraschungen oder gar Enttäuschungen erleben zu müssen. Und in seinem Alter gehört ihm auch sicherlich nicht mehr die Zukunft. Allerdings halte ich das nicht unbedingt für eine konservative "Angsthasen"-Entscheidung von Hoeneß, da Heynckes in Madrid und auch jetzt in Leverkusen gezeigt hat, dass er vor allem eines ist: ein Trainer, der Erfolg hat! Und in Leverkusen hat er sogar recht eindrucksvoll gezeigt, dass er - ähnlich wie Klopp in Dortmund sowie Tuchel in Mainz - auch aus einer relativ jungen Mannschaft eine erfolgreiche Mannschaft formen kann.


29. April 2011 von Stephan
Heute ist auf Sport1 zu lesen, dass Manchaster nun doch in den Poker um Neuer eingestigen ist. Demnach bietet Manchaster für neuer 24 Millionen Pfund (27 Millionen Euro). Damit ist genau das eingetreten, was ich in meinem letzten Kommentar prophezeit habe: Da der verbale Amoklauf von Hoeneß eine Zukunft von Kraft in München unmöglich machte, steht Bayern jetzt unter dem Druck, koste es was es wolle Manuel Neuer verpflichten zu müssen. Die Schalker hingegen dürfen sich in jedem Fall auf einen zu Beginn der Saison kaum für möglich gehaltenen Geldregen freuen, da neben den 50 Millionen, die sie diese Saison in der CL eingenommen haben, wohl noch deutlich über 25 Millionen für Manuel Neuer bekommen werden...