12.07.2009 23:55


Keiner mag uns, scheißegal...

Schalke spaltet die Nation. Man liebt sie, oder man hasst sie, die königsblauen Knappen aus dem Ruhrgebiet. Doch warum mag die Schalker eigentlich niemand? Und ist es ihnen wirklich scheißegal? Gedanken dazu aus der Perspektive eines Schalkers in Tübingen.

Zu Beginn muss ich kurz ausholen: In der Hauptstadt des Mutterlandes des Fußballs gibt es einen kleinen Verein, den jeder kennt, keiner mag, und der noch nicht mal, gemessen am generellen Niveau des Fußballs auf der Insel, wirklich gut Fußball spielt – sie sind aber immerhin in der dritten Liga. Die Rede ist vom FC Millwall. Der geneigte Fußballfan, der auch mal ein Buch zur Hand nimmt, hat von diesem Club, der im „Den“(Höhle im Sinne von Löwenhöhle, das Maskottchen des Clubs ist ein Löwe) an der Zampa Road in London-Bermondsey seine Heimspiele austrägt, sicher schon gehört. Nicht nur Nick Hornby, auch Christoph Biermann berichtete furchterfüllt von der ungastlichen Atmosphäre in der Höhle der „Löwen“, und dass er nur noch unter Zuhilfenahme von Personenschützern zurückkehren wollen würde.

Was das hier zu suchen hat? Nun, die zugegebenermaßen etwas langatmige Einleitung hat mit einer Hymne der Anhänger zu tun. Bevorzugt singen die Fans des M.F.C. Nämlich auf Auswärtsfahrten einen Klassiker von Rod Stewart, den sie leicht umgetextet haben. Zur Melodie von „Sailing“ heißt es da: „No one likes us, no one likes us, no one likes us, we don't care. We are Millwall, fuckin` Millwall, we are Millwall from The Den“. Diesen Gassenhauer haben Schalke-Fans (und jetzt kommen wir zum Kern der Sache) seit einiger Zeit auch in ihr Repertoire aufgenommen. „Wir sind Schalker, wir sind Schalker, keiner mag uns, scheißegal“. Doch halt mal. Warum mag die Schalker eigentlich niemand? Und ist es ihnen wirklich scheißegal?

Hier im Schwabenland dominiert ja die rot-weiße Pest aus der Landeshauptstadt. Selten habe ich so wenig Regionalstolz gesehen, selten identifizierte man sich weniger mit den Clubs aus der näheren Region, nein – wenn der VfB spielt, dann rennt halb Reutlingen und halb Tübingen, das ansonsten gar nicht genug über die Leute aus der großen Stadt schimpfen kann, zum Bahnhof, nimmt den Regionalzug in Richtung Cannstatt, um im Stadion stillzusitzen und Eventpublikum zu spielen (Randnotiz: Selbst als der VfB Schalke im Winter 2008 mit 2:0 besiegte, waren 2000 Schalker Auswärtsfans deutlich lauter als der Rest der 50.000 Zaungäste im nahezu ausverkauften Rund) oder brüllt sich in den Altstadtkneipen vor dem Fernsehschirm die Seele aus dem Leib – irgendetwas läuft da schief. Seit der Meisterschaft 2007 ist es „in“, zum VfB zu gehen. Eine ähnliche Entwicklung gab es in meiner Heimatstadt Oldenburg zwischen 2003 und 2007 mit dem benachbarten „Großverein“ Werder Bremen. Aber genug davon.

Deshalb – also, wegen der Dominanz der Stuttgart-Fans in der hiesigen Gegend – muss ich mir als Schalker über Spott und Häme keine Gedanken machen – spätestens seit der Saison 2006/2007 kommt das ganz automatisch, sobald ich mal im Trikot durch die Stadt spaziere. Entgeisterte Reaktionen der Kategorie „Waaaaaaaaaas, du bist Schalkefan?!“ sind im Kommilitonen- und Kollegenkreis nicht unüblich und kommen ungefähr wie „Waaaaaaas, du bist transsexuell/Sodomist/hast eine unheilbare, ansteckende, tödlich endende Krankheit?!“ rüber. Und ich kann es mir selbst nicht erklären, wieso. Wenn es von einer Zecke, also einem Lüdenscheider, also einem Unterstützer des schwarzgelben Vereins aus der verbotenen Stadt, deren Name nicht genannt werden darf, kommen würde, dann hätte ich ja Verständnis dafür. Aber was genau macht Schalke für den Verein, der ihm zweimal in den letzten 10 Jahren die sicher geglaubte Meisterschaft versaut hat (ja, zweimal, doch dazu später), so unsympathisch? Das müsste Stephan vielleicht nochmal näher ausführen. Die ollen Kamellen vom Bundesligaskandal 1971 können dabei bitte getrost da bleiben, wo sie hingehören, nämlich in die Mottenkiste der deutschen Fußballgeschichte.

Klar ist der Deal mit Gazprom für den politisch interessierten Menschen im Grunde nicht weit davon entfernt, seine Seele an den Teufel zu verhökern. Aber dafür kann ich als Fan persönlich herzlich wenig, und ich würde auch kein Trikot tragen, auf dem der russische Gasversorger beworben wird. Die Dinger sind auch einfach zu teuer geworden in letzter Zeit. Also auch irgendwie nicht ganz. Der Unsympath Rudi Assauer ist schon seit vier Jahren Geschichte, und das ist auch gut so. Der hatte im Dezember 2005 mit Ralf Rangnick den zweitbesten Trainer der neueren Vereinsgeschichte (nach Huub Stevens) wegen persönlicher Eitelkeiten rausgeworfen.

Aber zurück zum besonderen Verhältnis zwischen Schalke und Stuttgart. Nicht nur 2007 schafften es die Schwaben, den Schalkern die lang ersehnte Meisterfeier zu verderben, sondern auch schon 6 Jahre früher: Am 33. Spieltag der Saison 2001 stand es zwischen dem VfB und den Königsblauen lange Zeit 0:0. In der 90. Minute schnappte sich Krassimir Balakov allerdings die Kugel, drosch sie im zweiten Versuch per Distanzschuss in die Maschen - und nahm den Schalkern damit den einen Punkt, den sie gebraucht hätten, um am letzten Spieltag auch bei einem Unentschieden der Bayern dank der besseren Tordifferenz Meister zu werden.

Weshalb also mag man die Schalker im Schwabenland nicht? Weil Kuranyi und Bordon für viel Geld weggekauft wurden? Wenn Kuranyi nicht gegangen wäre, würde Mario Gomez spätestens seit 2006 in Hoffenheim spielen. So wie Andreas Beck. Und ohne Bordon war neben Meira Platz für Spieler wie Delpierre und Tasci in Stuttgarts Innenverteidigung. Wir haben euch also nur einen Gefallen getan.

Scheißegal ist es mir allerdings mittlerweile geworden. Als Norddeutscher in Tübingen bin ich fast genauso ein Exot wie als Schalkefan, und die erstaunten Gesichter ob der ungewohnten Kombination („Warum bist du denn dann kein Werder-Fan?“)nehme ich schon gar nicht mehr wahr, denn das war alles nicht so schlimm, wie die hämisch zur Schau gestellte bösartige Freude meiner damaligen Freundin (VfB-Fan) am letzten Spieltag der Saison 2007. So etwas härtet ungemein ab. Und verbindet. Die wenigen Schalkefans, die mir hier über den Weg laufen, sind unabhängig davon, was sie sonst so tun und lassen, klar - die mir am Meisten ans Herz gewachsenen Personen, sobald das runde Leder rollt und Bier im Glas prickelt. Mit Ausnahme vom Olli aus dem Bären. Wenn ich ihn sehe, fällt mir immer wieder ein, warum die Schalker eigentlich keiner mag. Olli sollte man einmal erlebt haben, deswegen empfehle ich einen Besuch in der netten Kneipe nah der krummen Brücke, wenn Schalke dort gezeigt wird. Danach tut man sich das, wie in der zweiten Liga zu spielen, freiwillig nur ungern ein zweites Mal an.

Aber abgesehen von solchen Sonderfällen sind wir Schalker auch nur Menschen. Wenn auch etwas anders. Und das haben wir mit den Anhängern des FC Millwall gemein. In diesem Sinne: Glück auf!



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2 Kommentare

14. November 2009 von rYu

dank an die schalker, gab einige, ehrliche, beileidsbekundungen aus gelsenkirchen.

selbst magath wird mir immer sympathischer! (wegen spiel-verlegung un so...)


03. August 2009 von Benjamin_Eissler

das stimmt, mit dem Kauf von Kuranyi habt ihr uns ein Gefallen getan...und in der Bundesliga-Saison 2006/2007 sogar gleich mehrere ;) ...Danke, Schalke! :)


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