04.07.2013 17:57


Die vergiftete Weltmarke. Teil II: Weisse Elefanten und eine WM in der Wüste

Im ersten Teil habe ich erklärt, warum meiner Meinung nach die Proteste gegen Korruption und Misswirtschaft außerhalb von Brasilien wohl kaum jemanden interessiert hätte, wenn es da nicht ein Feindbild gäbe, das die Menschen in Brasilien mit der sportinteressierten Öffentlichkeit der westlichen Welt eint wie kaum ein anderes: Die FIFA.

In diesem zweiten Teil gehe ich nun der Frage nach, wie es die FIFA geschafft hat, von einer positiv besetzten Marke zum „big evil“ zu avancieren – und welche Konsequenzen daraus resultieren könnten.

Wenn die Sonnenkönige mit ihren weissen Elefanten kommen

Als „weisse Elefanten“ werden teure Sportarenen bezeichnet, die für ein sportliches Großereignis gebaut wurden, aber nach Ende des Sportevents keinen vernünftigen Nutzen mehr haben. Unzählige solche weissen Elefanten lassen sich heute überall dort bestaunen, wo große Sportevents wie die Olympische Spiele oder die Fußball-Weltmeisterschaften einen kurzen Stopp eingelegt haben.

Wer an das gute und intelligente im Menschen glaubt, würde annehmen, dass beispielsweise die FIFA aus den Fehlern früherer Weltmeisterschaften lernen würde, doch das Gegenteil ist der Fall: Kein Fehler scheint der FIFA dumm genug zu sein, um nicht wiederholt zu werden – in größerem Ausmaß versteht sich. Dieser Vorwurf hört sich nach unsachlicher Übertreibung an, ist es aber nicht! Denn schon vor der WM in Südafrika wurde vor der Geldverschwenung in ungeheurem Ausmaß gewarnt, zu der die FIFA das Ausrichterland Südafrika mit seinen Forderungen und Auflagen verführt habe. Die Realität sah dann teilweise sogar nicht schlimmer aus:

Während die FIFA mit der WM 2010 hunderte von Millionen Dollar Gewinn machte, hinterließ sie in Südafrika riesige Bauruinen und unterm Strich eine einen Verlust von hunderten von Millionen Doller für das auch so schon arme Südafrika:

 

Aber nicht ihr Land [Südafrika: S.E.] wird finanziell profitieren, allenfalls punktuell. Sondern jene, die [...] so empfinden es die Südafrikaner, sie als Gastgeber bevormundeten. [...] Der Fifa-Präsident Joseph Blatter wurde anfangs als Freund und Entwicklungshelfer Afrikas gefeiert. Heute stellen Kommentatoren und Karikaturisten ihn als Raffzahn dar, der die WM zu zwei Zwecken in ihr Land brachte: zum Geld verdienen und um sich die Stimmen der afrikanischen Fußballverbände für seine Wiederwahl als Fifa-Chef zu sichern. (ftd.de)

 

Statt aus diesem jüngsten WM-Desaster zu lernen, wird von FIFA auf ein noch größeres wirtschaftliches Desaster für das Gastgeberland bei der WM 2014 hingearbeitet:

Nicht nur in Brasília bereitet die zukünftige Nutzung des Stadions Kopfzerbrechen. Auch in Manaus, Cuiabá und Natal könnten bald Stadien als "weiße Elefanten" enden – nachdem sie viel Arbeit und Geld gekostet haben und nach dem sportlichen Großereignis kaum mehr Verwendung finden. (dw.de)

Hat das brasilianische Volk diese WM wirklich so gewollt? Mit Stadienneubauten in Manaus, Brasilia und Cuiabá, in Städten, in denen es keine Erstliga-Klubs gibt? Offensichtlich hat es die Fifa nicht weiter interessiert. Die weißen Elefanten, die die Fifa bei der WM 2010 in Südafrika hinterlassen hat, sie werden auch Brasilien zieren. (www.tagesspiegel.de)

Mit allem Drum und Dran investiert Brasilien zehn Milliarden Euro in die WM, ein Viertel davon in den Bau und die Totalsanierung von Stadien. Das ist verdammt viel Geld für ein Land, das 0,4 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Bildung investiert, das kaum über funktionierende Verkehrssysteme verfügt und ein erbärmliches Gesundheitswesen hat. Eltern können ihre Kinder nun mal nicht ins Fußballstadion bringen, wenn sie krank sind. „Das Geld für die Stadien hätte für 8000 neue Schulen gereicht, für 39.000 Schulbusse oder 28.000 Sportplätze“, polterte der frühere Weltstar Romario. [...] „Sie [die FIFA] kommen hierher, bauen den Zirkus auf, haben keine Auslagen und nehmen alles mit.“ (www.tagesspiegel.de)

 

Schamlos zur Schau gestellte Käuflichkeit der Spitzenfunktionäre

Gerade in einer Zeit, in der die FIFA weltweit immer kritischer als ein Akteur wahrgenommen wurde, der sich skrupellos an den Fußball-Weltmeisterschaften zu bereichern schien, während die Rechnung von den jeweiligen Gastgebern der Fußball-WM getragen werden musste, erschütterte ein weiteres Ereignis die Fußballwelt: Die FIFA vergab die WM 2022 an Katar.

Bereits im Vorfeld war beim Vergleich der WM-Bewerber völlig offensichtlich, dass praktisch kein einziges Argument für die Ausrichtung der WM in Katar sprach. Umgekehrt war bei keinem anderen Bewerber die Liste der Argumente länger, die gegen die Ausrichtung der Fußball-WM sprachen. Die Wut und das Entsetzen war daher unter den Fußballfans weltweit groß als bekannt wurde, dass gegen jede Vernunft Katar den Zuschlag erhalten hatte. Bis heute findet sich eigentlich niemand, der ernsthaft zu behaupten versucht, dass es außer Geld noch ein anderes Argument gegeben hätte, das für die Entscheidung zugunsten Katars gesprochen hätte.

In den Augen vieler Fußballfans war dies eine ganz unverblümte Entscheidung der FIFA gegen den Fußball, gegen die Fußballfans zugunsten des Geldes – eine schamlos offene Zurschaustellung der Käuflichkeit von FIFA-Entscheidungsträger.

Selbstverständlich lässt sich das Offensichtliche nie wirklich beweisen – nicht zuletzt Dank des skandalösen Umstands, dass die FIFA als in der Schweiz ansässiger global agierender Milliarden-Konzern immer noch die Rechtsform des Vereins nutzen darf. Aber dadurch kann sich die FIFA letztlich „nur“ der rechtsstaatlichen Kontrolle entziehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass dieses unethische und unmoralische Gebaren ohne Folgen für die FIFA bleibt. Diese Folgen sind aber eher politischer und wirtschaftlicher Natur und sind in ihrem Ausmaß noch nicht abzuschätzen:

 

Der Stern der FIFA beginnt zu sinken

Das Kapital der FIFA besteht in der Popularität seines wichtigsten Produkts, der Fußball-Weltmeisterschaft. Diese Popularität ihres Produkts wusste die FIFA bisher gekonnt wirtschaftlich und politisch auszunutzen. Inzwischen wird aber dass sowohl von Fans wie auch Kritiker des Fußballs die FIFA als Problem gesehen – als eine extrem negativ besetzte Marke. Dies wurde noch nie so offensichtlich wie beim Finale des Confed-Cups, dem die brasilianische Präsidentin fern blieb, um nicht wieder zusammen mit den verhassten FIFA-Funktionären abgelichtet zu werden.

Damit kann Sepp Blatter sicherlich leben. Allerdings könnte es bald mit dem Probleme geben, worum sich bei der FIFA alles dreht: nein, nicht der Fußball, sondern das Geld. Denn wenn es für das Popularität der Präsidentin Rousseff besser ist, nicht Seite an Seite mit FIFA-Funktionären gesehen zu werden, dann könnte ähnliches auch bald auch für Coca-Cola und andere Konzerne gelten. Wieso soll es dem Image eines Konzerns dienlich sein, viel Geld an einen Verband zu zahlen, der für viele Fußballfans inzwischen zum „Big Evil“ avanciert ist.

 

Mit freundlicher, aber völlig überteuerter Unterstützung von ARD und ZDF

Erst recht gefährlich wird es für die FIFA, wenn Überlegungen populär werden, wie sie kürzlich ein Bekannter anstellte, der zugegeben kein großer Fußballfan ist: Wie kann es sein, dass öffentlich-rechtliche Medienanstalten das Geld ihrer Gebührenzahler in rauhen Mengen einem Fußballverband hinterherwerfen, dessen Protagonisten - vorsichtig gesagt! - alles andere als vorbildlich für unsere Jugend sind?

Und die Frage ist durchaus berechtigt, denn es ist ja nicht so, dass es keine freie empfangbare Übertragungen der WM-Spiele gäbe, wenn ARD und ZDF darauf verzichten würden, der FIFA irrwitzige Summen für die Übertragungsrechte zu bezahlen. Vielmehr würden sich private Sender finden, die bereit wären, die Übertragungsrechte für einen betriebswirtschaftlich sinnvollen Betrag zu erwerben – alles eine Frage von Angebot und Nachfrage.

Zum Teil I:

Die vergiftete Weltmarke. Teil I: Die FIFA als Katalysator für Proteste in Brasilien



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1 Kommentare

18. Juli 2013 von Balljunge

Irgendwie ist die Dreistigkeit schon auch beeindruckend, mit der Blatter alles an sich abprallen lässt. Zu den Protesten in Brasilien sagt er jetzt ernsthaft "das hat doch nix mit der FIFA zu tun". Hier ein Artikel...


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