29.06.2012 20:26
Außer Rand und Schland! Gründe für das Scheitern der deutschen Mannschaft – Teil I: die Taktik
Die Voraussetzungen für die vielleicht talentierteste deutsche Nationalmannschaft aller Zeiten waren perfekt: Die italienische Mannschaft war im Schitt nicht nur 3 Jahre älter als die deutsche Mannschaft, sondern hatte außerdem 2 Tage weniger Pause zur Regeneration und dazu auch noch eine Verlängerung inklusive Elfmeterschießen in den Knochen. Dennoch verlor die deutsche Nationalmannschaft verdient. Bei der Suche nach den Ursachen für das ebenso überraschende wie deutliche Scheitern beginnen wir bei der taktischen Ausrichtung der deutschen Mannschaft...
Immer wieder während der EM betonte Löw, dass man dem Gegner das eigene Spiel aufzwingen wolle. Was Löw dann im Halbfinale praktizierte war jedoch genau das Gegenteil:
Anders als bei allen Spielen zuvor wurde der rechte offensive Flügelspieler (Müller und Reuss spielten in den Spielen davor auf dieser Position) geopfert, um statt dessen mit Toni Kroos das Zentrum zu stärken und dadurch Pirlo und De Rossi aus dem Spiel zu nehmen. Löw orientierte sich bei der taktischen Ausrichtung also nicht an den eigenen Stärken, sondern an denen des Gegners! Erreicht wurde damit jedoch genau das Gegenteil: Statt die Italiener ihrer Stärke zu berauben, nahm Löw der eigenen Mannschaft ihre Stärke im Spiel über die Flügel. Fatal war dies gleich in mehrerer Hinsicht:
Zum einen wurde dadurch die Hereinnahme von Gomez noch unsinniger, weil der mehr als Klose oder Reuss auf gute Zuspiele von den Flügel angewiesen ist. Da aber Podolski auf dem linken Flügel offensiv einmal mehr nicht stattfand, und da der rechte Flügel garnicht erst besetzt war, hing Gomez zwangsläufig komplett in der Luft und war folglich ein Totalausfall.
Zum anderen hatten die Italiener die deutschen Spieler nun genau dort, wo sie sie haben wollten: in der Mitte. Denn die Italienische Mannschaft ist nicht nur im Zentrum enorm stark, sondern auch auf den Außen verhältnismäßig schwach. Diese Schwäche Italiens fiel nun überhaupt nicht mehr ins Gewicht – im Gegenteil, das erste Tor wurde sogar über den rechten Flügel vorbereitet...
Tatsächlich muss man jedoch einräumen, dass Löws Schachzug mit Kroos als Verstärkung im zentralen Mittelfeld durchaus hätte aufgehen können, wenn es der deutschen Mannschaft gelungen wäre, die starke Achse „Pirlo – De Rossi“ komplett aus dem Spiel zu nehmen. Dass dies nicht gelang, liegt unter anderem daran, dass es die Italiener im zentralen Mittelfeld durch höheren läuferischen Aufwand immer wieder schafften, eine Überzahlsituation herzustellen. Angesichts der Tatsache, dass die Italiener zwei Tage weniger zur Regeneration hatten UND im Viertelfinale – anders als die Deutschen - in die Verlängerung mussten, ist dies ebenso überraschend wie Besorgnis erregend! Vor allem aber deutet dies schon darauf hin, dass die Gründe für die Niederlage nicht nur taktischer Natur sind, sondern wesentlich tiefer liegen. Dazu dann morgen mehr...
Weitere Beiträge zum Thema "Gründe für das Scheitern der deutschen Mannschaft":
Teil II: Löws Personalentscheidungen
Teil III: Das "Sieger-Gen"
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03. Juli 2012 von KinoKarle
In einer TV-Expertenrunde meinte kürzlich einer, dass der große Helmut Schön bei der WM 1966 im Spiel gegen England den gleichen Fehler begangen habe wie Löw gegen Italien: Ein junger Spieler Namens Beckenbauer hatte der deutschen Mannschaft das gesamte Turnier hindurch hervorragende offensiv-Impulse gegeben. Aber im Finale gegen England hat Helmut Schön dann Beckenbauer als persönlichen Bewacher für Bobby Charlton abgestellt. Das Ergebnis: Die deutsche Mannschaft wurde ihrer Stärke beraubt, indem sie sich komplett auf die Stärke des Gegners ausrichtete und war - anders als im gesamten Turnier zuvor - nur noch ein zahnloser Tiger...