05.09.2009 18:50


StudiVZ-User wollen sich mehrheitlich nicht von digitalen Analphabeten regieren lassen

Nicht erst seit der Sonntagsfrage auf StudiVZ vorige Woche wird immer deutlicher: Es gibt nicht nur eine immer größere Kluft zwischen Armen und Reichen in Deutschland, sondern auch eine zwischen der jungen "digitalen" Generation und der älterne "vor-digitalen" Generation...

Leider komm ich erst jetzt dazu, etwas zum Ergebnis der Sonntagsfrage zu schreiben, die vor den Bundestagswahlen nun auch auf StudiVZ durchgeführt wird. Das Ergebnis am vorletzten Sonntag:

Die Piratenpartei ist erneut die große Gewinnerin der Sonntagsfrage auf StudiVZ/MeinVZ: Von den über 23.000 Teilnehmern gaben 48,3 Prozent an, die Jungpartei wählen zu wollen - noch mehr als in der Vorwoche, als es 31,1 Prozent waren.

Alle anderen Parteien verloren. Die CDU/CSU bekam 11,9 Prozent der Stimmen (Vorwoche: 17,9 Prozent), Bündnis 90/Die Grünen kam auf 10,6 Prozent (12 Prozent), für die FDP stimmten 10,1 Prozent (12,5 Prozent), für die SPD 9,2 Prozent (12,5 Prozent). Schlusslicht bleibt die Linke mit 5,4 Prozent (6,3 Prozent). (den ganzen Artikel zum Zitat gibts auf Spiegel Online)

Für die Autoren von netzwertig.com ist dieses Ergebnis der Sonntagsfrage ein Indiz dafür, dass "vor allem die CDU, aber auch die SPD, an den Bedürfnissen einer ganzen Generation vorbei denkt".
So könnte man es sagen, ja. Man könnte es aber auch drastischer formulieren, wie etwa ein Bekannter von mir neulich, der seine Wahrnehmung des politischen Establishments wie folgt auf den Punkt bringt:

"Die verhalten sich wie eine Horde von Analphabeten, die sich aus einer unfassbaren Ignoranz heraus dazu berufen und befähigt fühlt, die deutsche Rechtschreibung endlich mal vernünftig zu reformieren..."

Mit dieser Meinung steht er durchaus nicht alleine, die unter anderem dieses Zitat aus dem Spiegel zeigt:

Diejenigen, die sich jetzt wehren, sind mehrheitlich überzeugt: Deutschland wird regiert, die öffentliche Meinung hierzulande dominiert von Menschen, für die das Internet eine fremde Welt ist, Computerspiele ein fremdartiger, potentiell gefährlicher Zeitvertreib. Von Menschen, die immer noch stolz auf die eigene Fähigkeit sind, SMS zu verschicken. Von digitalen Immigranten eben.

Gleichzeitig leben in diesem Land an die 20 Millionen Menschen zwischen 15 und 35 (um mal eine willkürliche Grenze für die Angehörigen der Generation C64 zu ziehen), in deren Leben digitale Technologie eine zentrale, eine vor allem selbstverständliche Rolle spielt. Für die das Internet nicht "der Cyberspace" ist, sondern ein normaler Teil ihres Alltags, ebenso wie Telefone für die Generationen davor. (Die Generation C64 schlägt zurück).

Da alle etablierten Parteien von Menschen regiert werden, für die das Internet eine fremde Welt ist, darf es nicht wundern, dass viele junge Menschen, in deren Leben das Internet eine zentrale Rolle spielt, die Piratenpartei als ernsthafte Wahl in Betracht ziehen - und sei es nur, um den etablierten Parteien klar zu machen, dass sie nicht ungestraft gegen wichtige Interessen und Anliegen einer ganzen Generation Politik machen dürfen.



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6 Kommentare

10. September 2009 von Stephan

Holger, die Frage ist doch, wie mittelfristig die Meinungsmache bei solchen Themen wie "Atomwiedereinstieg" abläuft: Wer hat im Internetzeitalter zukünfigt welche Möglichkeiten, um die "öffentliche Meinung" zu solchen Themen zu beeinflussen. Von daher finde ich solche Einwände kurzsichtig und tendenziell sogar gefährlich... Genau diese Meinung vertritt im Grunde auch dieser Artikel in der ZEIT. Man muss also kein Anhänger der Piraten-Partei zu sein, um den etablierten Parteien jegliches Problembewußtsein abzusprechen:

Heute hat das Internet in der Lebenswirklichkeit der Deutschen eine ähnliche Bedeutung erlangt. Mehr als 52 Millionen Bürger organisieren mit seiner Hilfe ihren Alltag. Doch im Bundestag gibt es nicht einmal einen eigenen gewichtigen Ausschuss, der sich damit befasst, wie diese kritische Infrastruktur geschützt werden kann.

Stattdessen verdunkelt eine Wolke angstbesetzter Begriffe die politische Landschaft. Sie heißen Diebstahl geistigen Eigentums, Killerspiele, Kinderpornografie oder Cyberterrorismus. Die Überbetonung des Kriminellen verdrängt die eigentliche Aufgabe, der sich die Politik heute stellen muss: das Netz so zu regulieren, dass dort Rechte und bürgerliche Freiheit seiner Nutzer gewahrt werden. Denn es geht um nichts weniger als die Zukunft unserer Demokratie.

Wenn irgendwann die Netzbetreiber darüber entscheiden, ob bzw. wie Internetnutzer an Informationen kommen, die auf die Gefahren eines Atomwiedereinstiegs hinweisen, dann ist es langfristig gesehen eigentlich egal, ob du jetzt die CDU oder die GRÜNEN wählst ;P

...und dieses Szenario ist gar nicht mal so abwegig, wie die Beispiele in dem ZEIT-Artikel zeigen...


05. September 2009 von Kesten

blöde frage, aber: zum preis eines atomwiedereinstiegs?


05. September 2009 von Stephan

auch wenn ich meine ex-partei in vielem nicht mehr unterstützen kann - sie ist sicher die wesentlich adäquatere wahl, will man die themen internet- und informationsfreiheit nicht nur symbolisch, sondern auch politisch forcieren...

Das sehe ich genau umgekehrt. Bei den Gründen redet man zwar sehr gerne über diese Themen, aber wenn es um politische Entscheidungen geht, dann stellt man fest: das meiste ist nur heisse Luft. Wenn es um politische Themen rund ums Internet geht, glaubt man bei den Grünen vermutlich, sich dies leisten zu können, weil man mit ein "bisschen" Kompetenz und ein "bisschen" gutem Willen beim Thema Internet im Vergleich zu allen anderen Parteien ja immer noch gut dasteht. Aber das reicht halt bei weitem nicht.

Aber vor allem teile ich Deine Meinung aus folgendem pragmatischen Grund nicht: Wenn die Grünen nach der Wahl feststellen sollten, dass sie einen Teil ihrer jungen Wähler an die Piratenpartei verloren haben, dann wissen sie, dass es in Zukunft auch bei diesem Thema nicht mit der Bekundung von wohlklingenden Gesinnungen und Absichten getan ist... DANN erst lassen sich die Themen Internet und Informationsfreiheit womöglich auch mit Hilfe der Grünen politisch forcieren...

Die Situation ist derzeit gar nicht mal so verschieden zu der Situation damals zu Beginn der 80er Jahre: Damals haben die etablierten Parteien ebenfalls die Interessen und Anliegen einer Generation nahezu komplett ignoriert - ja gerdezu bekämpft! Deshalb konnte es damals überhaupt erst dazu kommen, dass sich diese Generation ein anderes politisches Sprachrohr für ihre politischen Anliegen (Umweltschutz, Abrüstung, usw.) zugelegt hat, indem sie kurzerhand eine Partei gründete: Die Grünen. Auch damals gab es viele, die argumentierten, dass es besser wäre, die SPD zu wählen, anstatt die Grünen, da diese doch am ehesten die Themen Umwelt, Abrüstung usw. politisch forcieren könnten. Dieses Argument war damals richtig UND falsch gleichzeitig. Das Argument war richtig, weil die SPD von den „regierungsfähigen“ Parteien noch am ehesten Sympathien und Verständnis für die Anliegen der Umweltschützer, Atomkraftgegner, Pazifisten usw. hatte. Und es war falsch, weil sich dieses Verständnis und die Sympathie viel zu wenig in praktischen politischen Entscheidungen niedergeschlagen hat. Genau so verhält es sich heute, wenn es um die Themen Internet und Informationsfreiheit geht: Die Grünen haben eine hohe Affinität zu diesen Themen - aber auf der Agenda Grüner Entscheidungsträger stehen diese Themen sehr weit unten. Nur eine erfolgreiche Piratenpartei könnte dies ändern.


05. September 2009 von Stephan

keine fünf prozent der 23.000 teilnehmer hat sich über die kernthemen der piraten wirklcih informiert und ihre positionen mit denen anderer parteien verglichen.

Mal abegesehen davon, dass man das vermutlich genau das selbe auch über die Sympathisanten aller anderen Parteien sagen könnte, wenn man die Parteimitglieder selbst mal ausnimmt: Hast du eine Quelle dazu oder sagt dir das dein Gefühl?


05. September 2009 von Kesten

23.000


05. September 2009 von Kesten

keine fünf prozent der 23.0 teilnehmer hat sich über die kernthemen der piraten wirklcih informiert und ihre positionen mit denen anderer parteien verglichen. vor allem die grünen fallen hier nicht einer inhaltlichen fehlpositionierung, sondern lediglich einem hype und modetrend zum opfer. auch wenn ich meine ex-partei in vielem nicht mehr unterstützen kann - sie ist sicher die wesentlich adäquatere wahl, will man die themen internet- und informationsfreiheit nicht nur symbolisch, sondern auch politisch forcieren...


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