Zeiten ändern Disko Pt. II

Nur in einem Wirtshaus mit Tiernamen brennt noch Licht. Hinter der Theke sitzt eine alte, gebrechliche Frau, die jedoch sehr, sehr wache Augen hat. Man fragt sie, wie das sein könne, man sei mehrere Runden durch den Ort gefahren und irgendwie immer beim Ausgangspunkt gelandet: „Und ich dachte so: Hey, du bist hier schon mal gewesen.“
Und was ist ihre markerschütternde Antwort? „Du bist schon immer hier gewesen.“
Ein Satz wie ein Hieb. Aaaaaah, Zeitloch. Die Angst macht sich breit.
Ab jetzt wird’s ernst. In den Raum hinein tritt ein breitschultriger, holzgesichtiger Latzhosen-Hulk, in der einen Hand eine Axt, in der anderen ein Blackberry, über das man, man ahnt es schon, in seiner sehr nah gelegenen „Praxis“ (Schlachthaus) Termine mit seiner Faust in ganz schlimm machen kann. Die alte Frau schwingt eine Eisenpeitsche. Schnell raus da!
Draußen auf der Straße merkt man, dass sich die Fremdlingsvisite rumgesprochen hat. Schulter an Schulter stehen Zombies (waren in „We Will Rock You – Das Queen-Musical“) und Stephen Kings Tommyknockers (kommen vom VFB-Spiel und haben meat gerochen), die es bestimmt nicht bei einer gelben Karte belassen werden. Höhö. Die Treibjagd beginnt. Glücklicherweise sind die Kontrahenten nach alter Filmtradition ganz schön lahme Enten und es ergibt sich ein beachtlicher Vorsprung, der sich aber genau in jenem Moment in Luft auflöst, in welchem man an den Rand einer Steilklippe kommt, an der man noch die abgebrannten Überreste einer Brücke erkennen kann – und ja, das geht auch trotz totaler Dunkelheit, ich muss hier schließlich die Dramatik ankurbeln!
Im Rücken der Abgrund, vor den Augen der 1. FC Carnivoria Echterdingen. Plötzlich fällt genau in die Mitte der beiden Seiten ein Lichtkegel. Aus ihm heraus fliegt eine einäugige Krähe und verkündet die Apokalypse. Die lässt sich auch nicht lange bitten. Die Erde tut sich auf und verschlingt alles, was nicht fliegen kann (Merke: Unter den Zombies ist die einäugige Krähe König!). Die Hölle wartet schon. Auf dem Weg dorthin trifft man, oha!, Fummel-Schiri Amerell und BoyToy Kempter beim Freistoß („Wenn er untergeht, nimmt er mich mit“).
Was war das denn jetzt bitte? Von der Disko in die Hölle? Ist ja finsterstes Mittelalter! Ich füge mich und ersetze das Wort „Disko“ durch „Club“ und lasse mich als modernen Menschen feiern. Außerdem weiß man ja auch, dass die oben erwähnten ‚Etablissements für Tanz und Trunk in den Abendstunden’, in welchen unter grellem Licht schlechte Musik aus Billigboxen krächzt, junge Leute besoffen rumliegen, fummeln und Einrichtungsgegenstände beschädigen, was wiederum die Security auf den Plan ruft und unschöne Szene zur Folge hat, einfach nicht mehr unter dem Label ‚Disko’ laufen. Das heißt heute REWE.
Zur Auflockerung noch ein Dialog zwischen zwei urbanen Girls, die gerne clubben:
A: Hey Mandy!
B: Hey Sandy!
A: Wie geht’s? Alles fresh?
B: Alles fresh und fesch, kennst mich ja!
A: Cool, dann kommst du bestimmt mit ins Brother Louie nach Mannheim, da ist heute Ladies Night mit Gratis-Prosecco. ALL! NIGHT! LONG!
B: Boah, würd’ ich voll gerne, aber ich geh schon ins Manhattan nach Ludwigshafen. Da legt DJ Cosmeeeeque feat. Natasha auf. Es gibt eines seiner seltenen Vocal House-Sets. Die beiden performen auch ihre neue Single: The Moon Is Full Of Darkness.
A: Wow, DJ Cosmeeeeque? Sweeeet! Muss aber echt mit den Girls mit heute Abend. Sandra war schon voll bockig, wegen letztes Mal und so. Äääääääääääääääääätzend!
B: Ah ja, verstehe. Aber findest du’s nicht auch total ironisch, dass das Brother Louie ausgerechnet in Mannheim und dafür das Manhattan in Ludwigshafen ist?
A: Ach du, das stört mich eigentlich nicht so. Ich hol mir mal ’nen Chicken Döner. Viel stranger wär’s doch, wenn es in Pforzheim den „Stuten“ geben würde und dafür in Stuttgart den „F…

Abpfiff!

Sagt: Baron von Schuldenberg