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Beschreibung
Esther Stockers Werke sind reine Abstraktionen, gewonnen aus dem Einsatz minimalistischer
Mittel: Horizontale, Vertikale, Diagonale, Schwarz, Weiß und verschiedene Abstufungen
von Grau. Ihr Interesse gilt komplexen visuellen Systemen, die sich am Raster orientieren.
Besondere Aufmerksamkeit widmet sie den Verschiebungen innerhalb von Systemen. Für den
Kunstverein Ulm hat Esther Stocker eigens eine Bodeninstallation entwickelt. Die Gemälde an
den Wänden sind im Kontext dazu zu sehen. Zur Ausstellungseröffnung am Freitag, dem 27.6.
um 19 Uhr spricht Dr. Barbara Willert vom Museum Ritter, Waldenbuch.
Empfinden wir rechte Winkel und parallele Strukturen als rational und geordnet, so belegen
Esther Stockers „Verrückungen“, dass dieser vermeintlich sichere Boden der Ordnung sich
als schwankend erweist. Zwar vermeinen wir, die zugrunde liegende Struktur entziffern
zu können, aber die Logik des Systems bleibt auf der Strecke, spätestens, wenn wir nach
einer Art von Rapport oder Wiederholung suchen, die uns das Gesehene als eine Art von
Visualisierung mathematischer Operationen erscheinen lassen.
Nein, Mathematik ist nicht die Grundlage von Esther Stockers Werken. Max Bill, ein Vorläufer
der konkreten Kunst und der geometrischen Abstraktion wollte Ende der 1940er Jahre die
Mathematik zur Basis künstlerischen Schaffens erhoben sehen, weil mit ihrer Hilfe in der
Kunst „Werkzeuge zum geistigen Gebrauch“ geschaffen werden konnten, die von einer
dem Universum unterliegenden Vorstellung von Maß, Gesetz und Harmonie kündeten.
Hier klingen Konzeptionen an, die in einer Zeit formuliert wurden, in der Mathematiker und
Philosoph keine sich ausschließenden Berufsbezeichnungen waren. So schrieb Virginia, die
Tochter Galileo Galileis, unter ihrem klösterlichen Namen Suor Maria Celeste im ersten Drittel
des 17.Jahrhunderts einen Brief an ihren Vater, in dem sie urteilte, dass das große Buch,
das Universum, in der Sprache der Mathematik geschrieben sei und die Buchstaben seien
Dreiecke, Kreise und andere geometrische Figuren.
Sehen als aktiver Vorgang habe den Charakter einer Schlussfolgerung, heißt es in der
Literatur zur Gestaltpsychologie. Esther Stocker beschäftigt sich mit den Zusammenhängen
von aktivem Sehen und Denken – hier klingen Bills „Werkzeuge“ an. Sie erprobt in ihren
Werken Gestaltgesetze wie dem von Figur und Hintergrund oder der Vervollständigung
von Figuren, von denen nur Teilinformationen vorhanden sind, durch den menschlichen
Wahrnehmungsapparat.
Manche Betrachter fühlen sich bei Werken von Esther Stocker an Architekturen oder
städtebauliche Strukturen erinnert. Auf der Suche nach einem „Sinn“ ihrer Kunstwerke hieße
das möglicherweise zu weit gegangen, da keine konkrete Architektur abgebildet werden
soll. Wenn schon Reminiszenzen an Stadtstrukturen, so könnte man den Bezug zu der
disziplinierenden Geometrie von Gebäuden und Städten sehen, die Michel Foucault in den
1970er Jahren in seiner Untersuchung zu Gefängnissen und Krankenhäusern festgestellt hat.
Ester Stocker räumt selbst ein, dass numerische Grundlagen zu existenziellen
Fragestellungen führen (können). Wenn ich „eins“ meine, wie steht dann „eins“ zu „zwei“,“
drei „oder „vielen“? Welche Beziehungen entwickeln sich zwischen dem „Einzelnen“ und der/
den „Gruppen“?
Esther Stockers Arbeiten präsentieren sich wie eine „Black Box“ aus der Systemtheorie. Was
drin ist, wissen wir nicht so genau. Wir können den Input beschreiben, der Output besteht
in den Reaktionen der Betrachter. Dafür braucht es den ganzen Körpereinsatz. Zeigt sich
der Ausstellungsraum auch „wie ein Bild“, so erfordert es das Betreten des Bildes, um das
Werk mit den individuellen Erfahrungen der sich darin Bewegenden zu sättigen. Erst ihr
Körper bestimmt den Ort. Die geometrischen Figuren auf dem Boden, die regelmäßigen
Säulen des Kunstvereinssaales und die Bewegungen der Körper treten in eine Beziehung
zueinander. „Der einzig denkbare Weg, um das Innere einer Black Box aufzudecken“, sagt e
der französische Mathematiker und Vorbereiter der Chaos-Theorie René Thom, „ist damit zu
spielen“. Zu diesem Spiel mit der „verrückten Geometrie“ sind alle herzlich eingeladen.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Offenes Haus“ führt Esther Stocker am Donnerstag, dem
10. Juli ab 19 Uhr durch ihre Ausstellung. An diesem Abend ist der Kunstverein Ulm zusätzlich
von 19 bis 22 Uhr geöffnet.
In der derzeitigen Ausstellung der Kunsthalle Weishaupt „Leben mit Kunst. 50 Jahre
Sammlung Siegfried und Jutta Weishaupt“ sind einige frühere abstrakt-geometrische Werke
von Piet Mondrian, Max Bill, Josef Albers und der Gruppe Zero zu sehen, darunter auch
Künstler, die Esther Stocker als Anreger für ihre Arbeit betrachtet. Eine Kombiführung
in der Kunsthalle Weishaupt und im Kunstverein Ulm am Donnerstag, dem 31.Juli soll
die Geschichte der konkreten Kunst und der geometrischen Abstraktion wie auch die
eigenständigen Schlüsse der zeitgenössisch-künstlerischen Position von Esther Stocker
verdeutlichen. Beginn ist pünktlich um 19 Uhr in der Kunsthalle Weishaupt. Es führt die
Ausstellungsleiterin des Kunstvereins Ulm Monika Machnicki. In der Kunsthalle Weishaupt
wird der Gruppeneintritt erhoben.
*1974 Silandro/ Schlanders,/Italien, lebt in Wien
Studium an der Akademie der Bildenden Künste Wien, an der Accademia di Belle Arti di Brera
Mailand, am Art Center College of Design Pasadena/ California
u.a. 2004 Otto Mauer Preis, 2009 Preis der Stadt Wien.
www.estherstocker.net
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