18.07.2011 18:20
Braucht die Welt eine Frauenfußball-WM?
Die Fußball-WM der Frauen ist zu ende. Im Laufe des WM-Finales machte ein Freund von mir kein Hehl aus seiner Meinung über den Frauenfußball im besonderen und diese Frauen-WM im speziellen... das nehme ich jetzt zum Anlass, um hier im "unhaltbar"-Blog laut über das Niveau der Frauenfußball-WM im Vergleich zur Männerfußball-WM nachzudenken. Braucht die Welt wirklich eine Frauenfußball-WM?
Die Medienpräsenz der Frauenfußball-WM
Überall in den Medien gings plötzlich nur noch um diese Frauenfußball-WM. Mein erster Impuls war: Weil es eigentlich niemanden interessiert, wird da mit aller Gewalt versucht, eine Erbse zu einer ganz großen Sache aufgeblasen Und ich muss zugeben, ich war zunächst ziemlich genervt davon - muss ich jetzt Frauenfußball plötzlich auch toll finden, oder was?!
Andererseits: Vor jeder Männerfußball-WM ist es eigentlich um das zehnfache schlimmer: Fußball-WM hier, Fußball-WM dort, Fußball-WM immer-und-überall... Jemand, der sich nicht für Fußball interessiert, muss davon vermutlich noch weit mehr genervt sein...
Das fußballerische Niveau der Frauenfußball-WM
Als ich mir bei dieser Frauenfußball-WM die ersten Spiele angeschaut habe, war ich zunächst auch etwas überrascht über das niedrige fußballerische Niveau dieser Spiele, über das geringe Tempo...
Zunächst einmal muss man aber fairer Weise berücksichtigen, dass der Frauenfußball dem Männerfußball um 30 Jahre hinterherhinkt (halloooo, es ist erst eine Generation her, dass Frauenfußball noch verboten war! O.O) - wer Zeit hat, sollte einfach mal im Männerfußball 30 Jahre zurückgehen und sich 3-4 WM-Spiele der Männer von 1982 anschauen. Das meiste davon war schlicht g-r-a-u-e-n-h-a-f-t-! Also: Mag man Fußball, so sollte man dem Frauenfußball noch einige Jahre Zeit geben, bevor man ein Urteil darüber fällt. Den Frauenfußball mit dem heutigen Niveau im Männerfußball zu vergleichen ist schlicht unsachlich...
Vor allem aber: Auch bei der Männer-WM ist das Niveau um Welten niedriger als etwa in der Champions-League! Neben 2-3 guten Spielen gibt es dort vor allem unsäglich schlechtes rumgebolze zu sehen (da es auch unter den Männern mehr Event-Fans als Fußball-Fans gibt, nehmen das viele im patriotischen-Eventtaumel wohl nicht so richtig wahr...). Apropos "rumgebolze" – dieser Begriff trifft 100%ig auf das zu, was die Holländer im Finale der Männer-WM verbrochen hatten. Das war nur peinlich!
Das Niveau der Schiedsrichterinnen bei dieser Frauenfußball-WM
Das Image dieser Frauenfußball-WM hat besonders unter den teilweise geradezu unfassbar schlechten Leistungen der Schiedsrichterinnen gelitten. Das „Handspiel des Jahrzehnts“ war hierbei nur ein trauriger Höhepunkt:
Für diese schlechten Schiedsrichter-Leistungen gibt es wenigstens eine einfache Entschuldigung: Viele Schiedsrichterinnen kommen aus Ländern, in denen es noch nicht mal einen professionellen Liga-Betrieb gibt, daher sind sie mit einer Fußball-WM schlicht überfordert. Vor diesem Hintergrund überraschen die Leistungen mancher Schiedsrichterinnen nicht.
Eine solche Entschuldigung gibt es jedoch bei der Männerfußball-WM nicht, da die männlichen Schiedsrichter eine wesentlich professionellere Ausbildung durchlaufen, bis sie bei einer WM pfeifen dürfen. Um so schlimmer und noch viel unfassbarer mutet einem deshalb an, zu welchen katastrophalen Schiedsrichter-Leistungen es dort regelmäßig bei jeder WM kommt:
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Viele werden sich noch an das Spiel „Südkorea vs. Italien“ während der WM 2002 erinnern, von dem viele behaupten (freilich ohne dass es hierfür Beweise gibt!), dass der Ausgang des Spiels im Sinne des Gastgeberlandes von Anfang an feststand und vom Schiedsrichter exekutiert wurde...
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Viele werden sich auch an das Spiel „Australien vs. Italien“ während der WM 2006 erinnern, von dem viele behaupten (freilich ohne dass es hierfür Beweise gibt!), dass die Italiener für das Skandalspiel bei der WM 2002 „entschädigt“ wurden, als der Schiedsrichter für die italienische Mannschaft eine der fragwürdigsten Elfmeter-Entscheidungen traf, die ich je gesehen habe:
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Da die WM 2010 noch nicht so lange zurück liegt, erinnert man sich spontan gleich an mehrere solche völlig unfassbaren Schiedsrichterleistungen: Aus deutscher Sicht fällt einem natürlich sofort das Spiel „Deutschland vs. England“ ein, bei dem ein klarer Treffer für England nicht gegeben wurde... auch beim Spiel „Deutschland vs. Serbien“ hat man sich während des Spiels irgendwann gefragt, ob der Schiedsrichter nicht vielleicht unter Drogeneinfluss steht. Mein persönliches „Highlight“ war jedoch die Schiedsrichterleistung im Spiel „Brasilien vs. Elfenbeinküste“: Neben einer ganzen Reihe weiterer merkwürdiger Entscheidungen, gelang es dem Schiedsrichter, zwei glasklare Handspiele durch Fabiano zu „übersehen“, obwohl er nur wenige Meter entfernt stand und beste Sicht auf das Geschehen hatte.
Böse Zungen behaupten (freilich ohne dass sich dies beweisen ließe!), dass die FIFA sich nur deshalb mit haarsträubenden Argumenten gegen die Einführung technischer Hilfsmittel zur Unterstützung der Schiedsrichter wehrt, weil sie sonst die Möglichkeit einbüßen würde, über einzelne Schiedsrichter Einfluß auf den Spielausgang nehmen zu können. Wie auch immer... fest steht jedenfalls: Die Schiedsrichterleistungen bei der Frauen-WM sind längst nicht so zahlreich, peinlich und skandalös wie bei der Männer-WM.
Der Unterhaltungswert der Frauenfußball-WM
Nachdem ich mein erstes Spiel bei dieser Frauenfußball-WM angeschaut hatte, fragte ich mich ernsthaft: Warum soll ich mir das anschauen? Schließlich schaue ich mir ja auch keine Spiele der 3. Bundesliga der Männer an! Nur durch Zufall – und mehr oder weniger unwillig - sah ich dann einige Tage später das Spiel „USA vs. Brasilien“, das mich am Ende komplett in seinen Bann gezogen hatte. Dieses Spiel hätte den diesjährigen Oskar für das beste Drehbuch verdient!
Letztlich ist es doch so, dass es ganz unterschiedliche Kriterien gibt, die erfüllt sein müssen, damit Zuschauer sich gut unterhalten fühlen und deshalb gerne Fußball schauen. Ein spielerisch und taktisch hohes Niveau gehört dabei meistens nicht zu den wichtigsten Gründen. Die Gleichung "hohes spielerisches und taktisches Niveau = hoher Unterhaltungswert" gilt im Grunde nur für eine Minderheit von Fußball-Experten. Bei einem Fußballspiel schätzen die meisten Zuschauer andere Attribute viel höher ein: Leidenschaft, Spannung, Dramatik, der Traum vom Sieg des Außenseiters gegen den haushohen Favoriten.... Deshalb müssen sich die beiden Spiele "USA vs. Brasilien" und "USA vs. Japan" vor keinem Spiel der Männer-WM verstecken. Das waren beides Spiele, die aufgrund ihres Spielverlaufs und ihres Ausgangs alles mitbringen, was ein Fußballspiel benötigt, um als „legendär“ geadelt zu werden. Was hat die Männer-WM dagegen zu bieten?
Die WM 2010: Die einzigen Höhepunkte und Aufreger des Finalspiels waren die dreckigen Fouls der Holländer – wie armselig!
Die WM 2006: Hätte nicht Zidane seinen Kopf in die Brust von Materazzi gerammt und dafür im letzten Spiele seiner großen Karriere die rote Karte erhalten, niemand würde sich noch an irgend eine Szene aus diesem Finalspiel erinnern. Am Ende wurde die italienische Mannschaft Weltmeister, ohne auch nur ein einziges Spiel abgeliefert zu haben, das von besonderem Unterhaltungswert war. Grauenhaft!
Man könnte weit zurückgehen in der Historie des Männerfußballs, aber Spiele mit solchen dramatischen Verläufen und Wendungen wie bei den beiden genannten Spielen dieser Frauen-WM fänden sich bei der Männer-WM nur äußerst selten...
Fazit
Als Fußballpurist braucht man eigentlich vor allem eines nicht: eine Männerfußball-WM! Denn da gibt’s mit der UEFA-Champions League wirklich ein wesentlich hochwertigeres Fußball-Ereignis. Außerdem passieren bei den UEFA-Wettbewerben nicht ständig so dubiose Geschichten wie grasse Schiedsrichter-Fehlentscheidungen, oder die völlig skandalöse Vergabe einer WM in ein Land, in dem es weniger Fußballfans gibt als auf der Schwäbischen Alb.
Wer hingegen durch Fußball vor allem unterhalten werden möchte, der muss allerdings nicht nur zur Männerfußball-WM ja sagen (sofern ihn Korruption nicht weiter stört...), sondern auch zur Frauenfußball-WM, die alleine bei der WM 2011 mehr dramatische Spielverläufe zu bieten hatte, als die Männerfußball-WM in den letzten 30 Jahren.
Und wer es satt hat, im Zehnminutentakt simulierende Fußballspieler halbtot auf dem Spielfeld liegen zu sehen, die nur wenig später wieder quietschfidel übers Feld sprinten; wer es satt hat, 20% der Spielzeit dabei zusehen zu müssen, wie Rudel von aufgebrachten Spieler mit dem Schiedsrichter diskutieren und sich wie die Paviane gegenseitig übers Feld schupsen, der wird vielleicht sogar zu dem Schluß kommen, dass er die Männerfußball-WM irgendwann nicht mehr unbedingt braucht...
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19. Juli 2011 von lurker
Rainer, zu deinem Kommentar passt auch das hier aus dem Spiegel:
"Man kann den Frauenfußball auf zweierlei Arten diskriminieren. Indem man ihn ignoriert. Und indem man ihn über den grünen Klee lobt. Das wird vor allem den Spielerinnen und den Teams nicht gerecht, die sich wirklich jedes Lob verdient haben. Und von denen gab es schließlich genug." (Spiegel online)
Der Blog-Eintrag gefällt mir! Wieder mal eine gute Mischung aus ätzender Provikation (beim Thema Schiedsrichter...) und sachlich fundierter Meinung. Übrigens finde auch ich, dass das Spiel Brasilien gegen USA zwar bei weitem nicht das beste, aber dafür eines der dramatischsten Spiele war, die ich je gesehen habe!

19. Juli 2011 von RainerWahnsinn
Gefällt mir! Endlich mal KEINE extreme Lobhudelei auf den Frauenfußball - und auch KEIN macho-Gequatsche...


21. Juli 2011 von Stephan
Vielen Dank für die Blumen. Na ja, wie immer liegt die Wahrheit halt irgendwo in der Mitte... :)